Leipzig. „Der Traum vom selbstgenutzten Heim platzt gerade für eine ganze Generation.“ Dieser alarmierende Satz ist erst zwei Tage alt und stammt aus einer Quelle, die nicht im Verdacht dichterischer Freiheit steht. Es geht um den „Wohnungsbaumonitor 2021/2022“ der Sächsischen Aufbaubank (SAB), veröffentlicht am 30. Juni 2022. Der zitierte Satz bezieht sich auf junge Familien, für die eine Eigentumswohnung oder gar ein Eigenheim in Leipzig inzwischen unbezahlbar sei. Die Stelle kommt gleich hinter dem einleitenden Grußwort von Regionalentwicklungsminister Thomas Schmidt (CDU).
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Der neue Monitoring-Bericht Genaue viele Hürden, die sich gerade vor bau- oder kaufwilligen Familien auftürmen. So kletterten die Quadratmeterpreise für Eigenheimgrundstücke in Leipzig zuletzt um 19 Prozent – und zwar jedes Jahr! Seit 2015 lehnt der Baupreisindex für Wohnhäuser in Sachsen um weit über die Hälfte zu. „Bis 2020 konnten die rückläufige Zinsentwicklung sowie steigende Haushaltseinkommen die Baukostenentwicklung Anleihen ausgleichen“, analysieren die SAB-Autoren. Doch nun sei die Zins- und Zeitenwende eingetreten. „Baustoffe und Baukapazitäten sind knapp. Energie und Bauen kosten immer mehr. Dazu kommt eine wenig verlässliche und damit schwer einplanbare Bundesförderung.“
Wohnung um 48.500 Euro in einem Jahr verteuert
Tatsächlich kletterte der Angebotspreis für eine durchschnittliche, gebrauchte Eigentumswohnung (86 Quadratmeter) in Leipzig allein in den letzten zwölf Monaten um 38.700 auf aktuell 284.000 Euro, geht aus Daten der Immobilien-Datenbank GeoMap. Für Neubauten wurden im Juni 2022 in der Messestadt durchschnittlich 477.000 Euro verlangt – das waren 48.500 Euro mehr als im Juni 2021.
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Trotzdem gibt es auch auf dem Wohnungsmarkt keinen Schatten ohne Licht. Wer genug Eigenkapital hat (etwa 25 Prozent vom Kaufpreis) und sich die letzten um Hundert Euro gestiegenen Monatsraten bei der Kreditfinanzierung leisten kann, wird mit einem Immobilienkauf in Leipzig nach wie vor nicht falsch liegen. Diese Ansicht vertraten ohne Ausnahme alle Fachleute, mit denen die LVZ im Rahmen ihrer aktuellen Immobilienserie in den letzten Wochen gesprochen hat.
Inflation doppelt so hoch wie die Baukreditzinsen
Zum Beispiel ging Sandra Schwabe, Leipziger Niederlassungsleiterin beim Kreditvermittler Interhyp, unter anderem darauf ein, dass die allgemeine Inflation (über 7 Prozent) derzeit mehr als doppelt so hoch ausfällt wie das Niveau der Bauzinsen (knapp 3 Prozent). „Immobilien sind eine wertstabile Geldanlage. Eigentümer profitieren von ihrer Immobilie, da mit der Inflation meist auch die Immobilienpreise steigen“, betonte sie. „Auf der anderen Seite kann die Inflation auf lange Sicht beim Abtragen der Schulden helfen, denn die festgeschriebene Kreditrate bleibt auch bei einem Inflationsanstieg gleich. Somit hat der Wohneigentümer trotz steigender Inflation eine konstante Belastung und wirkt einer eventuellen Mietpreiserhöhung entgegen.“
In den Jahren 2000 bis 2020 sind die Zinsen für Immobilienkredite (rote Linie) beständig gesunken. Zugleich legen die Baupreise in Sachsen stetig zu – besonders stark ab 2018.
© Quelle: sab
Niemand solle überstürzt handeln, sondern am besten erst die Finanzierung klären und danach Wohnungsangebote deutlich vergleichen, erklärt Schwabe. Im historischen Vergleich seien die aktuellen Zinsen noch immer niedrig. Deshalb empfehlen sie Käufern, die Kreditkonditionen für 15 Jahre oder länger festzuschreiben. Laut SAB-Monitoring betrugen die Bauzinsen in Sachsen zur Jahrtausendwende rund sechs Prozent, im Jahr 2010 noch 4,2 Prozent, 2020 etwa 1,5 Prozent.
„Bester Zeitpunkt für den Kauf ist immer gestern“
„Der beste Zeitpunkt, um sich eine Wohnung zu kaufen, ist immer gestern“, sagte Timo Pinder mit einem Augenzwinkern. „Nur vorgestern wäre natürlich noch besser gewesen. Das wird auch in Zukunft so bleiben.“ Pinder leitet das Maklerhaus PISA Immobilien weiter, welches seit Langem zu den größten Wohnraumvermittlern in Leipzig gehört. Die Grundstückspreise in der sich wirtschaftlich gut entwickelnden Messestadt dürften weiter steigen; die Personal-, Bau- und Materialkosten sowieso, meinte er. „Das heißt, es wächst der finanzielle Aufwand, um ein Haus neu zu errichten oder um es regelmäßig in Schuss zu halten. Schon deshalb wäre es sehr unwahrscheinlich, von sinkenden Preisen auszugehen.“
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Außerdem kämen mehr als zwei Drittel der Käufer in Leipzig nach wie vor von außen. Sie würden sehen, dass sich die Immobilienpreise in der achtgrößten Stadt Deutschlands zuletzt zwar besonders stark erhöht haben, aber in absoluten Zahlen – auch Euro pro Quadratmeter – noch immer weit unter denen in anderen Metropolen liegen. „Leipzig gilt dabei als sehr junge, dynamische Stadt, deren Bevölkerung weiter wachsen wird“, sagte Pinder. „Aus Anlegersicht ist das höchst attraktiv. Für viele Einheimische WIRD aber die entscheidende Frage sein, ob sie über genug Liquidität verfügen, um sich die Finanzierung ihrer Wunschimmobilie leisten zu können. Das gilt erst recht bei weiter steigenden Zinsen.“
Eigentumspreise stiegen in Leipzig am stärksten
Im Zuge des Bevölkerungsbooms der letzten Jahre ging die Schere zwischen Mieten und Kaufpreisen immer weiter auseinander, stellte der jüngste City-Report von BNP Paribas Real Estate fest. „So stieg das Preisniveau für Eigentumswohnungen zwischen 2014 und 2021 in Leipzig um über 160 Prozent. Laut BNP-Niederlassungsleiter Stefan Sachse nahm Leipzig damit die Spitzenposition aller Großstädte in Deutschland ein, gefolgt von Hannover und Augsburg mit Preissteigerungen von jeweils rund 130 Prozent bei den Eigentumswohnungen.
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Besonders wichtig für Anleger ist jedoch der Kaufpreisfaktor. Da stehen die Pleiße-Metropole noch immer um einige Punkte unterhalb der anderen Top-Städte in Deutschland, also Sachsen. Der Faktor gibt an, nach wie vielen Jahren sich der Erwerb einer Immobilie durch die Mieteinnahmen amortisieren würde. In Leipzig betrug er gemäß der BNP-Zahlen bei Neubauten im vergangenen Jahr 32, in Köln und Düsseldorf 34, in Hamburg und Frankfurt 35, in Berlin 36, Stuttgart 37 und in München 38. Ein kleinerer Faktor bedeute höhere Renditen, was ebenfalls für eine weiterhin stabile Nachfrage und damit Wertzuwächse beim Wohneigentum in Leipzig sprechen.
Recht großes Angebot bei gebrauchten Objekten
Die Quantensprünge der jüngeren Vergangenheit sind künftig aber nicht mehr zu erwarten, sagte unter anderem Rainer Hummelsheim, Chef einer großen Hausverwaltung im Bachstraßenviertel. Er rechnet eher auch mal mit Seitwärtsbewegungen bei den Kaufpreisen. Höhere Investitionskosten für die Hauseigentümer bewirkten zeitversetzt freilich auch steigende Mieten – in Leipzig trifft das wahrscheinlich vor allem die Mieten im mittleren und unteren Bereich. Insofern sei eigentlich jeder Zeitpunkt gut geeignet, um durch einen Kauf Vermögen aufzubauen und für einen mietfreien Altersruhestand vorzusorgen, gab der Professor für Immobilienwirtschaft zu Bedenken.
Weil Neubauten für sie zu teuer sind, dürften junge Familien stärker nach gebrauchten Objekten Ausschau halten, so der erfahrene Leipziger Immobilienmakler Andreas Köngeter. „Aktuell ist das Angebot da noch recht groß, weil wir eine andere Eigentümerstruktur haben als zum Beispiel westdeutsche Metropolen. Anleger, die nicht in der Stadt leben, in der sie eine Wohnung besitzen, verkaufen ihre Wohnung meistens wieder, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben.“
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Quelle: www.lvz.de